Mehr als 130 der 775 allgemeinbildenden Schulen in Berlin haben derzeit keine Schulleitung, berichtete der TAGESSPIEGEL vor drei Tagen. In anderen Bundesländern sieht es nach einer SPIEGEL-Umfrage bei den Kultusministerien nicht besser aus: Mehr als 14 % der Schulleiterstellen in NRW sind unbesetzt. In Sachsen sind es knapp 6,5 %, in Baden-Württemberg knapp 6 %.
Die Zahlen sind deshalb so dramatisch, weil eine gute Schulleitung von zentraler Bedeutung ist für die Qualität von Schule und Unterricht. Das weiß man aus der quantitativen Schulwirksamkeitsforschung sowie zahlreichen Studien zur Schulentwicklung. Und das merkt man, wenn man ein Schulgebäude betritt. Ich habe in meinem bisherigen Berufsleben viele, hochengagierte Schulleiterinnen und Schulleiter kennen gelernt, denen es gelungen ist, mit ihrer Persönlichkeit, ihrem Führungsstil und ihrer Haltung gegenüber Schüler/-innen, Eltern und Schuladministration eine Schulkultur zu prägen. Vom Einsammeln von Fördergeldern, dem Coaching des Kollegiums und dem pädagogischen Anspruch ganz zu schweigen. Eine Schulleitung einer Gesamtschule ist vergleichbar mit der Geschäftsführung eines großen mittelständischen Unternehmens – nur dass in einem Unternehmen niemand von einem Geschäftsführer erwarten würde, 120 so genannte „direct reports“, sprich: Lehrkräfte, zu führen bzw. eine Belegschaft von über 1.800 Schüler/-innen beim Namen zu nennen. Dieser Job verdient höchsten Respekt.
Doch die jüngste Umfrage des VBE bei 1.200 Schulleitungen bundesweit zeigt, dass es mit Respekt nicht weit her ist. Ein ständig wachsendes Aufgabenspektrum, immer mehr Verwaltungsarbeiten und bildungspolitische Entscheidungen, die den tatsächlichen Schulalltag nicht ausreichend berücksichtigen – das sind die drei Top-Belastungsfaktoren. Nur 7 % der unter 40-jährigen Schulleitungen können ihren Job auf jeden Fall weiterempfehlen. Die Quote steigt mit höherem Alter, aber selbst die über 60-Jährigen würden ihren Kollegen nur zu 29 % raten, Schulleiter oder Schulleiterin zu werden.
Lehrermangel ist nach Aussage der Schulleitungen das größte Problem an den Schulen. Doch ohne Schulleitung keine gute Schule und ohne gute Schulen verliert der Job des Lehrers weiter an Zugkraft. Zeit also für die Bildungspolitik, dieser Berufsgruppe besondere Aufmerksamkeit zu widmen: Schulleiterstellen attraktiver gestalten, schneller besetzen und mit Coachings oder anderen Programmen intensiv begleiten – so wie es Unternehmen auch tun.
Nachtrag vom 24.10.2018
Der gerade veröffentlichte Schulleitungsmonitor der Universität Duisburg-Essen gibt Aufschluss über den Fortbildungsbedarf von Schulleitungen: Organisationsführung und -entwicklung, Umsetzung von Steuerungsinstrumenten, unterrichtsbezogene Führungsarbeit sowie Personalführung und -entwicklung. Lehrgänge sind das bevorzugte Format für Fortbildungen, gefolgt von Netzwerken mit anderen Schulleitungen. Doch schon an dritter Stelle wird von den Teilnehmer/-innen individuelles Coachings bzw. Mentoring als Unterstützungsformat genannt.
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