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Halten wir ein paar Dinge fest:
Alle wollen die Digitalisierung der schulischen Bildung. Wenn der Widerstand der Länder gegen die Änderung des Artikels 104 des Grundgesetztes eines gebracht hat, dann dass so viel wie nie zuvor über die digitale Ausstattung an deutschen Schulen und Medienbildung gesprochen wird.
Alle wissen, dass die Kommunen allein niemals die notwendigen finanziellen Mittel aufbringen können, um die Schulen fit zu machen für das 21. Jahrhundert. Von der Instandhaltung und dem Support der dann angeschafften Geräte ganz zu schweigen. Eine Bertelsmann-Studie hat ermittelt, dass 2,8 Milliarden Euro jährlich notwendig sind, um Ausstattung, Instandhaltung und Support sicher zu stellen. Das ist nur mit vereinten Kräften und Unterstützung des Bundes leistbar. 5,5 Milliarden Euro sind unter dieser Perspektive ein guter Anfang, aber keine langfristige Lösung. Zusätzlich es braucht noch die Fortbildung von 700.000 Lehrkräften sowie neue digitale Medien, Inhalte und Werkzeuge.
Der Digitalpakt ist nicht das Problem, sondern „nur“ die Frage der Finanzverteilung. Eine Einigung ist daher wahrscheinlich, vielleicht nicht gleich nach der ersten Sitzung des Vermittlungsausschusses am 30. Januar 2019, aber hoffentlich innerhalb der nächsten drei bis sechs Monate.
Aber was passiert eigentlich, wenn die Länder sich mit dem Bund einigen und der Digitalpakt kommt?
Der Bund hat für den Digitalpakt ein Sondervermögen gebildet. 3,5 Milliarden bis zum Ende der Legislaturperiode 2021. 5,5 Milliarden sollen es insgesamt werden laut Koalitionsvertrag. Das Geld wird – wenn die Einigung mit oder ohne Grundsatzänderung vollzogen und in eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern überführt ist – nach dem sog. „Königsteiner Schlüssel“ an die Länder verteilt – NRW bekäme als größtes Bundesland 1,05 Milliarden Euro, Bremen als kleines Bundesland erhielte 48 Millionen Euro. Die Länder erarbeiten dann eigene Fördervereinbarungen, mit denen sie klären, wie sie die Gelder ihren Kommunen zuweisen. Zuweisen, nicht überweisen, dann selbstverständlich müssen die Kommunen entsprechende Anträge beim Land stellen, um an das Geld zu kommen.
Um diese Anträge zu stellen, werden die Kommunen ein Ausstattungskonzept erarbeiten müssen. Nicht alles ist im Sinne des Digitalpakts förderfähig: Infrastruktur first, d.h. zuerst werden Breitbandverbindungen, WLAN-Ausleuchtung, Bildungsplattformen und Anzeigegeräte (Whiteboards, Beamer etc.) angeschafft. Nur wenn die Infrastruktur für digitale Bildung an den Schulen bereits vorhanden ist, dürfen auch schulgebundene Endgeräte finanziell gefördert werden. Wobei die besagten 25.000 Euro pro Schule maximal für einen Medienwagen reichen, keinesfalls für eine 1:1-Ausstattung. Was gut ist.
Doch wie kommt ein kommunales Ausstattungskonzept zustande? Indem die Schulen ihrerseits Medienkonzepte erstellen, die dann vom Schulträger zu einem Ausstattungskonzept der Kommune gebündelt werden. Das heißt: Aus 1 Digitalpakt werden 16 Förderverordnungen, über 11.000 kommunale Ausstattungskonzepte und über 33.000 schulische Medienkonzepte.
Nach dem Ausstattungsstau nun also Konzeptflut. Nur wenige Bundesländer sind darauf vorbereitet. Bayern hat einen umfangreichen Online-Navigator zum Thema Medienkonzept-Erstellung, Baden-Württemberg gar einen Online-Medienentwicklungsplan-Generator. Sieben weitere Bundesländer bieten mindestens einen Leitfaden zur Erstellung eines Medienkonzepts an, zwei Bundesländer verweisen auf den Leitfaden von NRW, bei den restlichen fünf Bundesländer findet sich nichts in Sachen Medienkonzept.
Ein Medienkonzept ist ein Schulentwicklungskonzept, das von einem Team aus Schulleitung und Lehrkräften erstellt, mit Fachkonferenzen, Eltern- und Schülervertretern diskutiert wird, in Abstimmung mit dem Schulträger und ggf. auch anderen Schulen des gleichen Schulbezirks. Es besteht i.d.R. aus drei Säulen: schulinternes Medienbildungs-Curriculum, Fortbildungsplanung für die Lehrkräfte der Schule und Ausstattungsplanung. In manchen Bundesländern kommt noch Evaluations- und Finanzierungsplanung dazu. Ein solches Medienkonzept schreibt sich nicht an einem Tag. Es bedarf Ist-Analysen, Verständigung über die Fächer und Jahrgangsstufen hinweg sowie einer eingehenden Beschäftigung mit den Möglichkeiten und Grenzen digitaler Geräte und digitaler Medien.
Wenn die Schulen keine Hilfe beim Erstellen ihres Medienkonzepts bekommen, wird dieser Prozess ausgehen wie das Hornbacher Schießen. Entweder wird an vielen Stellen kein Geld fließen, weil die Schulen mit dem Medienkonzepts heillos überfordert sind. Oder es werden Lehrkräfte freigestellt, um am Medienkonzept zu arbeiten – was angesichts des Lehrermangels und dem hohen Unterrichtsausfall mehr als kontraproduktiv ist. Oder die Schulen greifen zur vielfach bewährten Copy-Paste-Taktik und schreiben Medienkonzepte anderer Schulen um. So werden die Vorgaben erfüllt, die Schule kommt schnell an Geld, aber die Geräte bleiben ungenutzt, weil niemand weiß, was man eigentlich damit anfangen wollte und hinsichtlich Unterrichtsgestaltung alles beim Alten bleibt. Ein erster kommerzieller Anbieter für Medienkonzepte ist bereits auf den Plan getreten, weitere werden folgen.
Wenn in Bundes- oder Länderministerien Verwaltungsvereinbarungen oder Förderverordnungen erstellt werden, dann arbeitet eine Heerschar professioneller Juristen und Verwaltungsangestellte daran. Lehrkräfte sind keine Medienkonzept-Profis und müssen es auch nicht sein. Ihr Job ist es, die pädagogischen Leitideen, Bildungsziele und Kompetenzrahmen in schulische Arbeit zu übersetzen. Ihre pädagogischen Vorstellungen müssen Eingang in ein schulisches Medienkonzept finden. Schulentwicklung ist nicht an Externe delegierbar. Aber von dem pädagogischen Konzept den Fortbildungsbedarf und eine sinnvolle IT-Ausstattung abzuleiten, ist ein Job, bei dem professionelle Unterstützung einen nennenswerten Mehrwert schaffen würde. Die Medienkonzepte wären dank professioneller Begleitung schneller fertig, wären notwendig individuell, weil der schulinterne Entwicklungsprozess moderiert wird, und hinreichend standardisiert, sodass sie zu einer IT-Infrastruktur für die Kommune konsolidierbar sind.
Länder und Kommunen müssen sich schon heute auf den Schritt 2 nach der Digitalpakt-Einigung vorbereiten. Und dazu gehört auch, die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der digitale Wandel an den Schulen am Ende nicht an fehlenden oder schlecht gemachten Medienkonzepten scheitert.
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